Sie sind vom Amts wegen immer die Guten: Umweltminister handeln
grundsätzlich in bester Absicht. Schade nur, dass ihre Aktionen manchmal
genau das Gegenteil bewirken. Ein kritischer Blick auf die Ökobilanz
unserer obersten Umweltschützer.
Nach seiner Wiederwahl im vergangenen Herbst dachte Polens Ministerpräsident
Donald Tusk
darüber nach, das Umweltministerium abzuschaffen. Er wolle nicht beim
Umweltschutz sparen, sagte Tusk, ganz im Gegenteil. Sein Ziel sei, das
Ökothema dort zu verankern, wo es hingehört: in den Ressorts für
Wirtschaft, Energie, Verkehr und Technologie.
Man stelle sich vor, ein deutscher Spitzenpolitiker hätte einen solchen
Vorschlag unterbreitet. Ein Sturm der Entrüstung würde über ihn
hinwegfegen. Deutschland mag ein tolerantes Land sein. Man darf als
Politiker allerhand in Frage stellen, von der Marktwirtschaft bis zum
Föderalismus. Aber die Toleranz hat Grenzen. Das Umweltministerium
abschaffen zu wollen, ginge eindeutig zu weit.
Aber warum eigentlich? Was würde der Umwelt fehlen, wenn es keinen
Bundesumweltminister gäbe? Der umweltschädliche Biosprit? Die
giftverseuchte
Energiesparlampe?
Ineffiziente Solardächer, die so gut wie keinen Strom erzeugen und
deshalb umso stärker mit Milliardenbeträgen gefördert werden müssen, wie
uns Umweltminister Norbert Röttgen in diesen Tagen erklärt?
Vor zehn Jahren führte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin das
Dosenpfand ein. Sein Ziel war, die umweltschädliche Einwegflasche vom
Markt zu drängen. Bedauerlicherweise trat genau das Gegenteil ein. Der
Marktanteil der Mehrwegflaschen beim Mineralwasser sank von damals 65
Prozent auf heute etwa 45 Prozent. Das Dosenpfand hat nicht die Dose
gekillt, sondern die ökologisch vorteilhafte Mehrwegflasche.
Von der Ära Trittin hat sich die Umwelt noch immer nicht erholt
Sieben Jahre dauerte Trittins Amtszeit als Umweltminister. Es war
eine Ära, von der sich die Umwelt bis heute nicht erholt hat. Dass ein
Gutteil der Feldfrüchte nicht mehr gegessen, sondern zu Pflanzenbenzin
verarbeitet oder als sogenanntes Biogas verfeuert wird, war eine seiner
Schnapsideen, die zur Verwüstung der Landschaft geführt haben. Auf
riesigen Flächen wächst nichts als Mais und Raps. Die Ökobilanz dieser
Monokulturen ist verheerend. Selbst die Grünen sprechen inzwischen statt
vom "Biobenzin" lieber vom "Agro-Sprit", da schwingt die Skepsis schon
in der Wortwahl mit. Dass Grünen-Politiker wie Bärbel Höhn noch im
Wahlkampf 2005 demonstrativ mit 100 Prozent Flower-Power durch die
Gegend gefahren sind, wird pietätvoll verschwiegen.
Die Umweltbilanz der Trittin-Nachfolger Sigmar Gabriel und Norbert
Röttgen sieht freilich nicht viel besser aus. Zwischen Anspruch und
Wirklichkeit klafft eine große Lücke. Am Ende kommt es immer anders, als
es die Öko-Politiker geplant hatten.
Der Plastikabfall aus der gelben Tonne wird inzwischen kaum noch
recycelt, sondern größtenteils verfeuert. Der gewünschte Lenkungseffekt
bei der
Ökosteuer ist verpufft. In den
Umweltzonen gibt es mehr Feinstaub als je zuvor. Die per Gesetz in den Markt gedrückten
Energiesparlampen
enthalten so viel umwelt- und gesundheitsschädliches Quecksilber, dass
das Umweltbundesamt davor warnt, sie im Kinderzimmer und anderen "Orten
mit erhöhter Bruchgefährdung" einzuschrauben. Und zuletzt kam bei einer
Studie des Ökoinstituts heraus, dass die von den Umweltpolitikern
geforderten
Elektroautos aus Umweltsicht oft viel schlechter sind als vergleichbare Modelle mit einem normalen Verbrennungsmotor.
Röttgen spielt den Ökoheiligen
Umso verblüffender ist, dass sich der politische Schaden für die
Verantwortlichen in überschaubaren Grenzen hält. Weil die Umweltpolitik
edle Ziele verfolgt, sind Umweltpolitiker gegenüber ihren Kollegen, die
sich mit Staatsfinanzen, innerer Sicherheit oder Rentenbeitragssätzen
herumschlagen, moralisch im Vorteil. Umwelt kann es ja gar nicht genug
geben. Zwar werden einem Umweltminister mitunter Naivität und
Gutmenschentum unterstellt, aber niemals schlechte Absichten, denn diese
sind ihm, qua Amt, fremd.
Die positive Aura im Umweltministerium ist so stark, dass sie einen
Technokraten wie Trittin in mildes Licht tauchte und Gabriels
Schwefelgeruch vorübergehend überlagerte. Amtsinhaber Röttgen, ein
kühler Machtstratege, der vor ein paar Jahren noch liebend gerne als
Spitzenfunktionär zum Bundesverband der Deutschen Industrie gewechselt
wäre, spielt jetzt den Ökoheiligen, der zur Besprechung im Kanzleramt
demonstrativ mit dem Fahrrad anrollt.
2. Teil: Die Moral spielt in umweltpolitischen Debatten eine so herausragende Rolle
Weil Umweltpolitiker prinzipiell auf der Seite des Guten sind,
stehen ihre Gegner zwangsläufig auf der des Bösen. Auf ihnen lastet der
Verdacht, es mit dem Umweltschutz nicht so ernst zu nehmen, mögen sie
auch das Gegenteil behaupten. Was haben sie bloß dagegen, dass der
Umwelt geholfen wird? Denken sie denn nicht an morgen, an die Bewahrung
der Schöpfung, an die Zukunft unserer Kinder? Wie zynisch muss man sein,
auf Details herumzureiten, derweil die Welt den Bach hinuntergeht? Wer
es wagt, die Umweltpolitik zu kritisieren, steht ruckzuck als Ökoferkel
am Pranger.
Die Moral spielt in umweltpolitischen Debatten eine so herausragende
Rolle, weil Umweltprobleme große Gefühle auslösen. Das Foto eines
Eisbären, der auf seiner angetauten kleinen Scholle einsam und hungrig
durchs Polarmeer treibt, rührt jeden an, der noch über ein Mindestmaß an
Empathie verfügt. Umweltpolitik ist Gefühlspolitik, powered by emotion.
Nur kleinkarierte Unmenschen wollen darüber diskutieren, wie das
Rührstück vom Eisbärensterben eigentlich mit der Tatsache zusammenpasst,
dass in der Arktis heute etwa 25.000 Eisbären leben, fünfmal mehr als
noch vor 60 Jahren.
German Angst trifft auf deutsche Gründlichkeit
Das Gefühl moralischer Überlegenheit immunisiert die Umweltpolitiker
gegen Selbstzweifel. Es ist ja auch alles so furchtbar kompliziert. Wer
weiß schon so genau, wie das Duale
System
oder der Emissionszertifikatehandel funktionieren oder ab welcher
Dosierung eine Chemikalie tatsächlich gefährlich ist? Irgendetwas klappt
nicht? Bestimmt ist ein Grenzwert zu lasch und muss verschärft werden.
Oder vielleicht ist irgendwo ein Schlupfloch, das gestopft werden muss.
Dann kommt die Umweltbürokratie zum Zuge. German Angst trifft auf
deutsche Gründlichkeit, ob beim Dosenpfand oder bei der
Feinstaubplakette. Das Bundesumweltministerium ist nicht zufällig aus
einer Abteilung des Bundesinnenministeriums entstanden. Hier kennt man
sich aus mit dem Polizei- und Ordnungsrecht. Weil Umweltschutz für die
Bürger in der Regel mit Belastungen, mindestens aber mit
Unbequemlichkeiten einhergeht, lässt sich auf straffe Planung, Lenkung
und Zwang nicht verzichten. Umweltpolitik ist Verbotspolitik. Der unter
Trottel- und Lümmelverdacht stehende Bürger muss belehrt und an die Hand
genommen werden.
Das Umweltministerium gehört abgeschafft
Als 1980 im Verlag dtv ein erster Band zum Thema Umweltrecht
erschien, handelte es sich um ein vergleichsweise schmales Werk von 377
Seiten. Dreißig Jahre und gut zwanzig Auflagen später ist das Buch
dreimal so dick. Die aktuelle Version umfasst 1264 Seiten. Das
entspricht einem durchschnittlichen Zuwachs von fast 50 Seiten pro Jahr.
Jede halbverwilderte Industriebrache wird zum Ökosystem hochgeredet und
jeder Grünstreifen zum Biotop. Bei der Gebäudesanierung zieht die
Denkmalpflege gegenüber der Wärmedämmung häufig den Kürzeren. Die grüne
Gentechnik hat gegen die Umweltpolitik juristisch kaum noch eine Chance.
Polens Ministerpräsident Tusk hat deshalb recht mit seiner
Überlegung, das Umweltministerium sei verzichtbar und gehöre
abgeschafft. Insbesondere der Kampf gegen den
Klimawandel
ist zu wichtig, um ihn dem Umweltminister zu überantworten, der seine
vornehmste Aufgabe darin sieht, die Subventionen für die Photovoltaik zu
verteidigen, eine Technik, die für besonders viel Geld besonders wenig
CO2 einsparen hilft.
Schlechte Umweltpolitik schadet der Wirtschaft und den Verbrauchern - und am allermeisten der Umwelt selbst.
Sie sind vom Amts wegen immer die Guten: Umweltminister handeln
grundsätzlich in guter Absicht, sie bewahren, sie schützen. Schade nur,
dass ihre Aktionen manchmal genau das Gegenteil bewirken. Beispiel
"Gelbe Tonne" - ihr Inhalt wird kaum noch recycelt - sondern
größtenteils verfeuert.
Sieben Jahre dauerte Trittins Amtszeit als Umweltminister. Es war eine
Ära, von der sich die Umwelt bis heute nicht erholt hat. Sein Ziel war,
die umweltschädliche Einwegflasche vom Markt zu drängen.
Bedauerlicherweise...
...trat genau das Gegenteil ein. Der Marktanteil der Mehrwegflaschen
beim Mineralwasser sank von damals 65 Prozent auf heute etwa 45 Prozent.
Das Dosenpfand hat nicht die Dose gekillt, sondern die ökologisch
vorteilhafte Mehrwegflasche.
Dass ein Gutteil der Feldfrüchte nicht mehr gegessen, sondern zu
Pflanzenbenzin verarbeitet oder als sogenanntes Biogas verfeuert wird,
war eine von Trittins Schnapsideen, die zur Verwüstung der Landschaft
geführt haben. Auf riesigen Flächen wächst nichts als Mais und Raps. Die Ökobilanz dieser Monokulturen ist
verheerend. Selbst die Grünen sprechen inzwischen statt vom "Biobenzin"
lieber vom "Agro-Sprit".
Der aktuelle Amtsinhaber Norbert Röttgen, ein kühler Machtstratege, der
vor ein paar Jahren noch gerne als Spitzenfunktionär zum Bundesverband
der Deutschen Industrie gewechselt wäre, spielt jetzt den Ökoheiligen,
der zur Besprechung im Kanzleramt demonstrativ mit dem Fahrrad anrollt.
Röttgen sieht seine vornehmste Aufgabe darin, die Subventionen für die
Photovoltaik zu verteidigen - eine Technik, die für besonders viel Geld
besonders wenig CO2 einsparen hilft.
Umweltpolitik ist Gefühlspolitik - powered by emotion. Auch Knut-Pate
Sigmar Gabriel warb im Zeichen des Eisbären für den weltweiten
Klimaschutz. Unerwähnt blieb auch bei ihm dass sich die Zahl der Eisbären in den letzten 60 Jahren verfünffacht
hat. Seit weitgehenden Jagdverboten haben sich die Bestände deutlich
erholt - heute leben in der Arktis rund 25.000 Eisbären. Weil ihr
Lebensraum schrumpft, prognostizieren Artenschützer allerdings einen
erneuten Rückgang bei den großen Räubern.
Auch sie fällt in die Amtszeit von Sigmar Gabriel: Die per Gesetz in den
Markt gedrückten Energiesparlampen enthalten so viel
gesundheitsschädliches Quecksilber, dass das Umweltbundesamt davor
warnt, sie im Kinderzimmer und anderen "Orten mit erhöhter
Bruchgefährdung" einzuschrauben.
Sein Vorschlag würde in Deutschland einen Sturm der Entrüstung auslösen:
Polens Premier Donald Tusk würde das Umweltministerium am liebsten
abschaffen - um das Ökothema dort zu verankern, wo es seiner Meinung
nach hingehört. In die Ressorts für Wirtschaft, Energie, Verkehr und
Technologie.
QUELLE: Spiegel.de